Viele gehen noch immer fälschlicherweise davon aus, dass Umweltrisiken nur die klassische, „verschmutzende“ Industrie, wie etwa die Chemie- und Schwerindustrie, betreffen. Zwar ist es tatsächlich so, dass es gerade in diesen Bereichen verstärkt zu Umweltschäden kommt, doch bedingt durch mehr als 17.000 unterschiedliche Regularien hinsichtlich der Verschmutzung beziehungsweise Kontamination von Luft, Wasser und Boden sind heute Firmen der unterschiedlichsten Branchen mit dieser komplexen Risikoart konfrontiert. Dies gilt beispielsweise sowohl für Unternehmen, die Immobilien besitzen, betreiben beziehungsweise kaufen und verkaufen, als auch für Firmen, die in einem biologisch vielfältigen Umfeld agieren, etwa in der Nähe eines Naturschutzgebiets, oder auch für jene, die Industriebrachen sanieren. Risikopotenziale können sich zudem für Unternehmen ergeben, die potenziell gefährliche Substanzen verwenden, lagern, transportieren oder produzieren, die Verunreinigungen verursachen können. Die Bandbreite der Firmen, die Umweltrisiken ausgesetzt sind, ist also groß.
Ein Blick auf die vergangenen Jahre reicht aus, um deutlich zu machen, in welcher Vielfalt und gerade auch in welcher Vielzahl Umweltrisiken in der Praxis auftreten können. Rund um den Globus kommt es dabei auch immer wieder zu teils spektakulären Umweltschäden, so zum Beispiel im Januar 2022, als im Südpazifik-Staat Tonga der Vulkan Hunga Tonga-Hunga Ha’apai ausbrach. Der Ausbruch verursachte mitunter mehrere schwere Flutwellen, was wieder wiederum dazu führte, dass beim Entladen eines Tankers an einer Raffinerie in Peru rund 6.000 Barrel Rohöl austraten. Die Folge: Nach Angaben des peruanischen Umweltministeriums wurden dadurch 174 Hektar Meer, Strände und Naturreservate verschmutzt, was in etwa der Fläche von rund 270 Fußballfeldern entspricht. Eine Mitverantwortung für diese zusätzliche Naturkatastrophe liegt aus Sicht der peruanischen Regierung auch beim Raffineriebetreiber, da das ursächliche Öl aus dessen Pipelines ausgetreten ist. Die lokale Gefährdungshaftung beruft sich in diesem Zusammenhang darauf, dass „derjenige, der ein riskantes Gut befördert oder eine riskante Tätigkeit ausübt und einem anderen einen Schaden zufügt, verpflichtet ist, diesen zu ersetzen“. Bei einem angestrebten Schadenersatz von 4,3 Milliarden Euro wären die finanziellen Auswirkungen im Haftungsfall entsprechend enorm.
Schäden wie dieser zeigen, wie groß das Gefahren- und Haftungspotenzial von Umweltrisiken tatsächlich ist beziehungsweise sein kann. Die Risikoart ist nicht zu unterschätzen, doch deren Handhabung gestaltet sich häufig (noch) problematisch: Unternehmen nehmen fälschlicherweise oftmals an, durch ihre allgemeine Haftpflichtversicherung gegen Umweltrisiken abgesichert zu sein – das ist allerdings weit gefehlt. Denn verfügen sie nicht über eine spezifische Umweltdeckung, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sie im Schadensfall auf keinen beziehungsweise keinen adäquaten Versicherungsschutz zurückgreifen können und dadurch alleine für die teils immensen Kosten aufkommen müssen, die im Ernstfall auf sie zukommen können. Insbesondere bei internationalen Unternehmen wird zudem die Analyse von Umweltrisiken vielfach noch vernachlässigt – auch hier bieten entsprechende Haftpflichtprogramme dann keinen vollumfassenden Versicherungsschutz.
Voraussagen von Wissenschaftlern betonen, dass der Klimawandel verstärkt extreme Wetterereignisse mit sich bringen wird, wie beispielsweise Überschwemmungen, Stürme, Dürren und Hitzewellen. Mit dieser Art von Risiken müssen sich auch Unternehmen auseinandersetzen, können Schäden ausgelöst durch Naturereignisse ihnen sowie anliegenden Fremdunternehmen schnell zum Verhängnis werden. Welche Szenarien durch Wetterextreme möglich sind und welche Schutzmöglichkeit es in diesem Zusammenhang gibt, erklärt Stefan Warnecke, Practice Leader Environmental Risk Eastern Region.
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